RUBATO (2023/2024)

 

Raus aus dem keller, Ein STÜCK FÜR VIKTOR

 2023 müssen wir uns wieder an eine Welt gewöhnen, die ohne Corona auskommen muss. Wir proben wieder „oben“, nicht mehr im Keller der Ruckergasse. Langsam gehen uns die Corona-Test-Kits aus. Wie reagieren wir als Ensemble auf diese neue Zeit? Erstmalig erhalten wir eine Jahresförderung – und können über Monate hinweg ohne Unterbrechungen arbeiten. Eine andere Zäsur, die uns im Laufe der Produktion trifft: Viktor Rokyta, unser langjähriges Mitglied, Schauspieler-Kollege, Bühnentechniker, Logikstikverantwortlicher, Motivator, Vaterfigur, Brücke in viele Richtungen, stirbt im August an einer Krebserkrankung. Wir müssen umdenken. Das neue Stück soll ihm gewidmet sein, unserem Freund Viktor. 

 

DAS STÜCK

 Ein beliebiger Ort, einige Sessel, weißer Hintergrund. Fünf Menschen bespielen diese Nicht-Welt. Nach und nach treten sie auf. Zunächst treffen drei Männer aufeinander, die die Ouvertüre gestalten. Lange kämpfen sie mit ihren Jacken, ihren Händen, mit den Sesseln, spielen ihr Spiel jenseits der Sprache. Die clownesken „Spiele der Erwachsenen“ (Berne) signalisieren das Ringen mit den Elementen der Welt. Zwischendurch unterbricht der Hausmeister das Spiel, stellt wieder Ordnung her. Das Spiel ändert sich, als die Frau erscheint. Sie bringt das eingespielte Männer-Team durcheinander, indem sie ihr eigenes Spiel spielt, das Spiel der Worte und des Geschichtenerzählens. Auch wenn sie von den Männern Ablehnung erfährt, erzählt sie unbeeindruckt  ihre Träume („An draam hob i ghobd…“). Nach und nach stimmen die Männer ein und erzählen ihre Geschichten.

Während die beiden Männer und die Frau ihre Geschichten nach und nach ausbreiten, sieht man den Mann mit den tanzenden Händen immer wieder an der Seite stehen. Er wirkt traurig. Man bekommt den Eindruck, dass er einen Weg sucht, sich bei den anderen zu beteiligen, findet aber keine Worte. Er ist eine Randfigur geworden. Erst nachdem der Hausmeister zum wiederholten Male erschienen ist – diesmal hat die Puppe eine Rose hinterlassen, bricht es aus ihm hervor. Die drei anderen setzen sich bereitwillig hin und hören zu. Holprig versucht er eine Geschichte zu erzählen, der die anderen zunächst nur schwer folgen können. Er erzählt von einem, der sich schwertut, seine/eine Geschichte zu erzählen. Spricht er von sich selbst? Er steigert sich immer mehr in sein Erzählen, bis Worte nicht mehr reichen, und seine Erzählung in einen mystischen Gesang übergehen. Ein Blick des Hausmeisters reißt ihn aus seiner Vision. Aber der Bann ist gebrochen. Er lädt nun „die Kinder“ ein, sich zu ihm zu setzen und seiner Geschichte zu folgen. Nun erzählt er die Geschichte von den beiden Geschichten, die einander auf der Waldlichtung begegnen, sich in ineinander verlieben und weitere Geschichten auf die Welt bringen: „Liebesgeschichten, Kriminalgeschichten, Lebensgeschichten…Lügengeschichten…“

Alle sind nun Geschichten-Erzähler. Der Hausmeister unterbricht ihr angeregtes Stimmengewirr und beendet das Spiel.

 

Viktor Rokyta 1958 - 2023